Wer den Harz kennt, weiß: Zwischen Ballenstedt und Blankenburg zieht sich eine bizarre Sandsteinrippe, die seit Jahrhunderten Stoff für Legenden liefert – die Teufelsmauer. Ihr markantester Abschnitt ragt bei Weddersleben als Königstein in den Himmel, eine fast 20 Kilometer lange, steilstehende Schichtrippe aus kreidezeitlichem Sandstein. Genau dorthin zog es Jenny und mich an einem launischen Frühlingstag, an dem die Wolken dramatischer wirkten als jeder Nebel‐Filter.
Felswände statt Fotostudio
Schon der Aufstieg über den schmalen Trampelpfad fühlte sich wie eine Zeitreise an: links und rechts uralte Felsen, durchsetzt von Flechten, die aussahen, als hätten sie sämtliche Gewitter seit der Sage vom streitsüchtigen Teufel gespeichert. Oben angekommen, eröffnete sich der Blick über das nördliche Harzvorland – sattgrüne Felder, rote Dächer in der Ferne und ein Himmel, der mit bedrohlich dunklen Türmen malte. Jenny setzte sich barfuß auf eine schräg abfallende Platte, die Schulter ihres grob gestrickten Pullovers rutschte lässig herab, und ihr Lachen brach den Sturmzauber, der über den Fels zog.
Während das Licht mit Wolkenfetzen rang, nutzte ich jede kleine Lücke im Himmel: Sonnenstrahlen tasteten über den Sandstein und zeichneten goldene Reflexe auf Jennys Haut. Die Felsoberfläche bot natürliche Reflektoren – helle Adern im Gestein lenkten sanftes Licht in ihr Gesicht, der restliche Fels schluckte Schatten und modellierte Konturen, als hätten wir heimlich eine Softbox über dem Abgrund aufgehängt.
Zwischen Klüften und Kräutern
Wir wechselten die Perspektive und arbeiteten uns tiefer in die Felsspalten. Dort unten schuf die Enge ihren ganz eigenen Charme: Felsen formten einen rauen Rahmen um Jennys kurvige Linien, während der Pulli in Elfenbein und die zerrissenen Shorts einen Kontrast zu den fast schwarzen Gesteinsadern setzten. Ein kurzer Wechsel ins Schwarzweiß offenbarte, wie kraftvoll Textur und Blickführung funktionieren, wenn Farbe keine Rolle mehr spielt.
Nicht weit entfernt breiteten sich kleine Wiesenpolster aus – ein Teppich aus Heide, Hornkraut und winzigen Steinbrechblüten. Jenny ließ sich im Gras nieder, zog die Knie an und spielte mit ihr Blicken. Das satte Grün und die gelben Tupfer umrahmten die blaue Tiefe ihrer Augen; plötzlich wirkte die Felsenstadt hinter ihr wie eine Kulisse, die nur gebaut wurde, um genau diesen Moment festzuhalten.
Für den letzten Akt schlüpfte sie in ein bodenlanges Sommerkleid, das bei jeder Böe aufbrandete wie ein Segel. Ganz vorn auf dem Grat stellte sie sich dem Wind, schloss die Augen und atmete die frei flatternde Luft – ein Bild, in dem sich Wildnis und Gelassenheit trafen. Der schmale Kamm der Mauer sprang zackig Richtung Westen, als wolle er jeden Schritt herausfordern; doch das Kleid schwamm darüber hinweg und übersetzte felsige Härte in pure Leichtigkeit.
Was das Shooting für mich besonders machte, war nicht allein die Abfolge gelungener Posen. Es war das Zusammenspiel von Geologie und Emotion: Hier, wo härtetestes Kreidesandstein einst unter dem Gewicht des sich hebenden Harzes nach oben gekippt wurde erzählte jeder Riss eine Geschichte von Zeitdruck und Widerstand. Diese Geschichten fanden ihr Echo in Jennys Körpersprache – mal verletzlich zwischen engen Wänden, mal souverän auf luftigen Plattformen.