Nach langer Zeit, gefühlt einer halben Ewigkeit, war Antje endlich wieder bei mir im Studio zu Gast. Das letzte Mal stand sie an ihrem Hochzeitstag vor meiner Kamera – seitdem kamen Babypause, Alltag und prall gefüllte Terminkalender dazwischen. Umso mehr habe ich mich gefreut, als die Nachricht kam: „Ich hab wieder Bock!“ – da war klar, das wird kein gemütlicher Kaffeeklatsch, sondern wieder ein komplett verrückter GosdschanFotografie-Tag.
Wir sind ohne großes Warm-up direkt in die erste Runde gestartet. Antje macht einmal kurz Yoga, verdreht sich in sich selbst und plötzlich sieht der menschliche Körper nicht mehr aus wie ein Körper, sondern wie eine lebendig gewordene Skulptur. Lange Haare, die wie ein Vorhang nach unten fallen, tätowierte Arme und Beine, die sich umeinander schlingen – irgendwo dazwischen Hände, Füße, ein Atemzug. Gerade Linien gab es in diesen Posen nicht mehr, nur noch Kurven, Spannung und dieses angenehme „Wie kann man sich bitte so verbiegen?“-Gefühl. Genau mein Ding.
Nachdem wir uns an genügend Körperverknotungen ausgetobt hatten, sind wir ruhiger, aber nicht weniger intensiv geworden. Das Setting wurde minimalistischer, der Fokus lag komplett auf Antjes Mimik und den kleinen Gesten. Ein leicht geneigter Kopf, eine Hand im Haar, ein Blick nach innen – von außen still, von innen voller Geschichten. Aus der Distanz eine starke, tätowierte Frau mit meterlangem Haar, im Close-up plötzlich verletzlich, wach, fast greifbar. In einem Moment zart und nachdenklich, im nächsten wieder dieser typische Antje-Blick: „Probieren wir’s einfach aus, Marco.“
Genau aus diesem Spirit heraus sind auch die experimentelleren Portraits entstanden. Hände, die sich über das Gesicht legen, ein Auge, das durch die Finger schaut, Strukturen, die sich mit der Haut vermischen – fast schon wie ein innerer Monolog, der durch Licht und Schatten sichtbar wird. Und weil wir beide selten bei „normal“ stehen bleiben, haben wir auch mit Überlagerungen und surrealen Effekten gespielt, bis aus einem Gesicht plötzlich etwas ganz anderes wurde: mehr Gefühl als Portrait, mehr Stimmung als klassische Schönheit.
Natürlich durfte der Humor nicht fehlen. Wer Antje kennt, weiß, dass sie sich nicht zu schade ist, auch mal eine völlig bekloppte Idee mit voller Ernsthaftigkeit durchzuziehen. Also gab es zwischendurch einen Ausflug in die Kategorie „Trash trifft Kunst“: knapper Einteiler, Bierflasche in der Hand, Pose irgendwo zwischen Model, Dorfdisco und „Ich hab das Leben verstanden“. Ganz viel Augenzwinkern, ganz viel Selbstironie – und genau deshalb so verdammt authentisch.
Als wir eigentlich schon genug Material im Kasten hatten, kam der Moment, in dem einer von uns sagte: „Lass mal schleimen.“ Wer mich kennt, weiß: Solche Sätze sind gefährlich. Also Studio abgedeckt, Licht umgebaut, Farben ausgepackt – und Antje ist buchstäblich in eine andere Welt eingetaucht. Erst klar und fast glasig, der Körper wie in eine flüssige zweite Haut gehüllt. Dann wurde es neon: grün leuchtende Fläche, glitschige Bahnen, die an ihr herunterlaufen, Reflexe auf Haut und Tattoos, als wäre sie gerade aus einem Sci-Fi-Becken gekrochen. Zum Abschluss noch ein Farbwechsel ins Kalte, Nebel dazu, alles klebrig, alles nass – und trotzdem (oder genau deswegen) purer Ausdruck. Antje mittendrin, komplett im Element, ohne Hemmungen, ohne Ekel, nur Spielfreude.
Genau das liebe ich an unseren gemeinsamen Projekten: Es gibt kein „zu verrückt“, kein „das können wir nicht machen“. Wir starten bei ästhetischer Körperkunst, landen bei intensiven, fast stillen Portraits und enden im Schleimchaos – und alles fühlt sich trotzdem nach einem roten Faden an. Vielleicht, weil wir uns über die Jahre blind verstehen. Vielleicht, weil Antje einfach alles gibt, wenn sie vor meiner Kamera steht. Oder weil es manchmal genau diese Mischung braucht: ein bisschen Yoga, ein bisschen Herz und eine ordentliche Portion Wahnsinn.
Nach dieser „gefühlten Ewigkeit“ Pause weiß ich auf jeden Fall eins: Es war längst überfällig, dass Antje wieder im Studio war. Und wenn ich mir die Ergebnisse anschaue, bin ich mir ziemlich sicher: Das nächste Mal lassen wir uns keine so lange Pause mehr.












